Mehl, Wasser und Solarstrom
Unsere Familienbäckerei in Lingen, in der Nähe der holländischen Grenze, wurde vor 116 Jahren gegründet. Ich betreibe die Bäckerei in der vierten Generation und in den letzten zwei Jahrzehnten habe ich viele Veränderungen auf den Weg gebracht.
Während wir am Marktplatz ein Café in einem historischen Gebäude betreiben, liegt unsere eigentliche Produktionsstätte etwas ausserhalb – dort lasse ich auch meinem Spleen mit der Elektrotechnik seit 20 Jahren freien Lauf. Ich sage bewusst „Spleen“, schliesslich spielt Energieeffizienz in der Backbranche noch immer eine eher kleine Rolle.
Im Jahr 2000 habe ich mit dem ersten Blockheizkraftwerk (BHKW) angefangen, womit mein Faible für Energieeffizienz geweckt war. Zehn Jahre später war ich einer der ersten, der sich mit E-Mobilität beschäftigt hat. Nach mehrjähriger Recherche habe ich 2012 mein erstes E-Auto gekauft – was damals auch noch belächelt wurde. Wenig später waren wir der grösste E-Autohalter in der Region. Unsere Bäckereiflotte stellte 40 Prozent der Elektroautos im Landkreis. Dabei waren’s genau genommen nur drei Stück…
Verglichen mit anderen handwerklichen Berufen benötigt das Backgewerbe sehr viel Energie. Man braucht entweder sehr viel Strom oder ein anderes Verbrennungsmedium wie Gas oder Öl, um Strom zu erzeugen. Das hat mich schon immer gestört. Kurz nach der Jahrtausendwende war es so, dass wir allein an Strom 180.000 kWh pro Jahr eingekauft haben. Das war eine Hausnummer, mit der ich nur ganz schwer leben konnte. Also fing ich an zu überlegen und landete bei einem BHKW: Wärme plus Strom als Abfallprodukt. Wir brauchten so oder so eine neue Heizung für die Bäckerei, und so kam eins zum anderen.
Dann haben wir auf unserem Grundstück ein Nahwärmenetz realisiert, an das alles, was Wärme oder Warmwasser braucht, angeschlossen wurde. Das funktionierte so gut, dass wir gleich noch ein zweites BHKW in Betrieb genommen haben. Damit war unser Strombezug aus dem öffentlichen Netz in einem ersten Schritt schon mal drastisch reduziert.
Der Schritt in Richtung Photovoltaik zusammen mit den Powerwalls kam dann vor etwa 10 Jahren. 2013 haben wir die PV-Anlage mit 58 kWp installiert. Zu der Zeit ungefähr begann es für uns auch mit der E-Mobilität. Am meisten Strom verbrauchen jedoch unsere Öfen.
Strom ist zwar nicht das beliebteste Medium zum Backen, doch meines Erachtens ist es das beste – allerdings auch das teuerste. Zum Glück haben wir einen Partner gefunden, der mit uns die Reise gewagt hat, diese Öfen mit den Blockheizkraftwerken, unserer PV-Anlage und den Batteriespeichern von Tesla zu betreiben. Das gab es davor noch nicht. So waren wieder entsprechend viele Unkenrufe zu hören.
Es war in der Tat eine sehr spannende Reise – und inzwischen läuft alles nahezu perfekt. Schon jetzt konnten wir den Gasverbrauch halbieren und auch den bereits reduzierten Netzstrombezug ein weiteres Mal halbieren – obwohl wir noch einen weiteren Stromofen dazubekommen haben. Das ist schon gigantisch.
Vor der Anschaffung des neuen Elektroofens hatten wir noch einen Netzstrombezug von etwa 20.000 kWh. Jetzt kommen wir mit dem Elektroofen auf rund 8.000 kWh. Die Powerwalls ermöglichen es, den Strom dann verfügbar zu machen, wenn er wirklich gebraucht wird. Im Vergleich zu anderen Bäckereien haben wir einen riesengrossen Vorteil in unserer Konstellation: Wir haben nicht nur einmal am Tag die Powerwalls voll geladen, wenn die Sonne scheint, sondern durch das BHKW haben wir gleich zwei Mal am Tag die Powerwalls komplett geladen und wieder entladen. Das macht das Ganze finanziell noch attraktiver.
Dieser Schritt war entscheidend für unser Überleben: Es würde unseren Betrieb heute wohl nicht mehr geben, wenn wir diese Reise nicht angetreten hätten. Die Kosten, die wir bislang eingespart haben und weiterhin einsparen, sind so hoch, dass wir sie sonst unmöglich hätten stemmen können. Deshalb schaue ich kontinuierlich, wo noch etwas optimiert werden kann. Wenn sich herausstellt, dass eine vierte oder fünfte Powerwall das System deutlich verbessert, dann würde ich noch mal ein paar Stück ordern. Das ist ja der Vorteil, dass man immer wieder skalieren kann. Man kann durch jeden dieser Schritte etwas verändern und dazu viel Geld sparen.
Auch unsere Kunden bekommen etwas ab vom Strom: Wir haben unseren Wall Connector von der Garageninnen- auf die Aussenseite verlegt, damit Kunden, Besucher und Aussendienstmitarbeiter, die uns besuchen, ihr Auto bei uns aufladen können.
Als es vor gut 10 Jahren richtig losging mit dieser „Reise“, habe ich das vor allem für die Firma gemacht – und es ging nicht so sehr um Klimaschutz. Ich sagte mir: „Es ist mein Spleen, und es hilft mir, meine Firma am Leben zu erhalten.“ Jetzt mit drei Kindern sehe ich das doch etwas anders. Unsere kleinste Tochter hat mich mal gefragt, was denn die Eisbären von unserer Solaranlage, den Batteriespeichern und den E-Autos hätten. Da habe ich zu ihr gesagt: „Es hat sich schon gelohnt, wenn der Eisbär nur einen Tag länger seine Eisscholle hat.“
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